Hallo Ingo und an alle,
das ist ein Frage, wie sie auch zu anderen Tiergruppen immer wieder mal auftaucht. Da Taxonomie mein Steckenpferd ist, möchte ich dazu so kurz wie möglich antworten.
1.) Synonymisierung. Dies war und ist häufig der Fall, nämlich, dass eine Art wieder "eingezogen" wird, weil sie sich als nicht haltbar erwiesen hat. Leider ist dies in vielen Fällen stark subjektiv, weshalb je nach Autor auch parallel verschiedene Klassifizierungen benutzt werden. Ein Autor z.B. akzeptiert S. corsica, ein anderer sieht sie schlicht als Unterart. Wobei eines ganz klar gesagt werden muss: eine Unterart hat keinen taxonomischen Rang! Dieser wirkt ab der Art aufwärts. Was darunter ist, hat eigentlich keine Bedeutung und dient nur zur Verdeutlichung von Unterschieden zwischen Populationen einer Art. Vielfach haben Autoren auch einfach eine Unterart beschrieben, weil sie sich nicht sicher über den Artstatus waren, in der Hoffnung, dass ein anderer irgendwann einmal eine Diagnose durchführt und den Status klärt. Der Erstautor bleibt aber für immer und ewig. Ich nenne hier bewusst keine namen. Wiederum ist hier viel Platz für Interpretationen. Taxonomisch gesehen, sind also alle Unterarten von Salamandra salamandra nichts anderes als ein Ausdruck für relativ konstante Populationsunterschiede. Und entsprechend wurde und wird mit diesen Unterarten Verfahren. In zeiten, als es weder Kladistik (die lehre von den abgeleiteten merkmalen) noch Genetik gab, wurde noch sehr viel stärker rein morphologisch gearbeitet. Mit den heutigen Methoden werden dann andere Erkenntnisse gewonnen. Es gab viele Unterarten von S.s., die wieder eingezogen wurden bzw. noch zweifelhaft sind. Ich lebe in einer Region (zwischen Heidelberg und Stuttgart), aus der eine Unterart beschrieben wurde (forma "maculosa" wenn ich es richtig erinnere), die heute nicht mehr anerkannt wird. Rein genetisch, wohlgemerkt. Dabei ist diese Methode auch nicht allein seligmachend, aber darum geht es hier nicht. Hier hat nämlich quasi jede Population auch orange/rote Tiere und ist sehr intensiv gezeichnet. In anderen Regionen sind alle Tiere ausschließlich gelb, im Solling wieder nicht.
Letztendlich bleibt es jedem selber überlassen, welche Bezeichnung er akzeptiert. Der am meisten anerkannte Autor wird sich durchsetzen. Und morgen kann alles schon wieder ganz anders sein. Ich persönlich akzeptiere die Systematik nach Steinfartz et. alt., das ist das System, das auch hier auf feuersalamander.com als zutreffend benutzt wird.
2. Erstbeschreibungen. Ja, diese Toilettenhäuschenparolen kenne ich zur Genüge! Vor grauer Zeit noch konnte jeder Dödel in irgendeinem Käseblatt einen Namen loslassen, dazu schreiben, das es sich um einen Fisch mit Flossen und gelben Punkten handelt und die Beschreibung war gültig. Aus, vorbei, Gott sei Dank!!! Die Internationale Nomenklaturkommission hat vor Jahren entschieden, die Kriterien für "verfügbare" Arbeiten drastisch zu verschärfen. Es könne zwar auch weiterhin Laien neue Arten beschreiben, aber alle Arbeiten müssen einem modernen Standard entsprechen. Beschreibungen wie z.B. von Leptolebias sandrii (Fariah & Müller, 1934) (ein kleiner Eierlegender Zahnkarpfen aus Rio de Janeiro) in einem Vereinsblatt der brasilianischen Marine (ja, man glaubt es kaum!) werden heute per se nicht mehr anerkannt, solche Arbeiten gelten als "nicht verfügbar", will heißen als nicht publiziert.
Es ist nicht verwunderlich, dass immer noch die alte Mähr der Erstbeschreibung im Comicformat rumgeistert, aber die Realität ist eine andere. Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass es heutzutage für eine treffende Diagnose sehr viel Fachkenntnis (Artenkenntnis der zu bearbeitenden Gruppe plus zoologisches Handwerkszeug) bedarf, um eine saubere Diagnose durchzuführen. Darum habe ich selber auf die autonome Beschreibung von Arten verzichtet und diese entweder als Co-Autor beschrieben (Simpsonichthys similis COSTA & HELLNER, 1999) oder Profis zur Verfügung gestellt, die auf dem jeweiligen Gebiet Expertise haben. Zugegeben, es ist auch heute für einen kundigen Amateur kein Problem, die formellen Anforderungen zu erfüllen und eine Art zu beschreiben, das muss jeder fŸr sich selber entscheiden. Meist wird dies der Fall sein bei eindeutig neuen Arten. Aufgrund der meist fehlenden Kommunikation zwischen Amateuren und Zoologen (aber auch zwischen Zoologen, wie unlŠngst wieder) werden leider immer wieder auch Arten doppelt beschrieben und so neue Synonyme produziert.
Ich rate jederman dringend davon ab, durch irgendeine Publikation einer Unterart oder Art sich selber zum Gespött zu machen und auch nicht die zoologische Welt durcheinander zu bringen, weil bei mangelhafter Ausführung diese Taxa sofort wieder eingezogen würden. Es gibt ja einige, die über salamandra arbeiten, auch wenn man nicht allem folgen muss, was der eine oder andere publiziert, aber man kann mit diesen hauptberuflichen Wissenschaftlern in Dialog treten oder sogar zusammenarbeiten. Das bringt alle weiter als das Herumwurschteln wie Anno Tobak.
3. Meine persšnliche Ansicht, obwohl die taxonomisch nicht relevant ist, weil nicht formell begründet, ist die, dass die Salamandra-Arten mit großen Verbreitungsgebieten noch bei weitem nicht abschließend in ihrer Taxonomie geklärt sind. Ich denke da insbesondere an S.s.s. und S.s.t. Zwischen Atlantikküste und Sibirien ist noch viel Platz für neue Erkenntnisse. Ich bezweifle aus meiner Erfahrung mit anderen Tiergruppen, dass ausgerechnet bei S.s.s und S.s.t. an ihren Übergangsgebieten die Gesetzmöglichkeiten der adaptiven Radiation und des Speziationsdruckes nicht zum Tragen kommen. Entsprechendes ist für S. infraimmaculata anzunehmen. S. algira wird ja gerade untersucht und die erste neue Unterart beschrieben (S. algira tingitana). Auch bei gallaica/morenica ist wohl noch nicht alles hearusgearbeitet. Und wie steht es um fastuosa und bernardezi? Der Vergleich einer Vielzahl von Populationen könnte mehr als überraschen.
Bis dahin bitte ich alle, die momentane Situation nach Steinfartz et. alt. (Artikel müsste hier im Archiv sein, Michael?) anzunehmen und corsica, algira, infraimmaculata als eigenständige Arten zu betrachten und Unterarten wie "hispanica", "maculosa" oder "quadri-virgata" nicht mehr zu verwenden bzw. wenn dann nur als Hinweis auf eine bestimmte Population, die einmal als Unterart beschrieben worden war, heute aber nicht mehr als solche angesehen wird.
Viele Grüße
Steffen
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Michael Schantz« (5. Oktober 2004, 10:47)