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Inshi

Feuersalamander.de - Admin

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1

Samstag, 2. Oktober 2004, 11:43

S.s. quadri-virgata - Taxonomie

Hallo,

ich habe in dem Buch "Feuersalamander und Alpensalamander" von G. E. Freytag gelesen, dass S.s.terrestris damals als S.s.quadri-virgata benannt war. Auch andere mir (aus der heutigen Literatur) unbekannte Spp- und Ssp-Namen fielen mir auf.

Es herrschte ja damals offenbar noch ein ziemliches Durcheinander zwischen Art- und Unterartzuordnung, z.B. wird auch S.algira als S.s.algira sowie S. Corsica als S.s.corsica beschrieben.

Weiß jemand, wann und warum sich die Namen änderten, und wie es zu der heutigen Taxonomie kommt? Hat jemand Literatur dazu? ?(

Außerdem wurde ich in DIESEM Thread auf eine Aussage von "austronewt" aufmerksam (Zitat):
"Erhebt diverse Unterarten schlicht und einfach in den Artrang. Eine kleine Schrift in einer Vereinspublikation reicht."

Es würde mich interessieren, ob das tatsächlich so einfach möglich ist?! Bisher hatte ich geglaubt, dass dies heutzutage nur noch bei Nachweis bestimmter genetischer Unterschiede möglich ist... :KA:

...so, das waren jetzt wieder viele "dumme" Fragen, mal sehen, ob sich auch jemand findet, der sie beantworten kann...(am liebsten wäre mir natürlich auch Literatur! :manu: :D )

Viele Grüße,

Ingo
Halte verschiedene Tiere der Gattung Salamandra und einige andere Urodelen

Steffen Hellner

unregistriert

2

Montag, 4. Oktober 2004, 10:40

Taxonomie

Hallo Ingo und an alle,

das ist ein Frage, wie sie auch zu anderen Tiergruppen immer wieder mal auftaucht. Da Taxonomie mein Steckenpferd ist, möchte ich dazu so kurz wie möglich antworten.

1.) Synonymisierung. Dies war und ist häufig der Fall, nämlich, dass eine Art wieder "eingezogen" wird, weil sie sich als nicht haltbar erwiesen hat. Leider ist dies in vielen Fällen stark subjektiv, weshalb je nach Autor auch parallel verschiedene Klassifizierungen benutzt werden. Ein Autor z.B. akzeptiert S. corsica, ein anderer sieht sie schlicht als Unterart. Wobei eines ganz klar gesagt werden muss: eine Unterart hat keinen taxonomischen Rang! Dieser wirkt ab der Art aufwärts. Was darunter ist, hat eigentlich keine Bedeutung und dient nur zur Verdeutlichung von Unterschieden zwischen Populationen einer Art. Vielfach haben Autoren auch einfach eine Unterart beschrieben, weil sie sich nicht sicher über den Artstatus waren, in der Hoffnung, dass ein anderer irgendwann einmal eine Diagnose durchführt und den Status klärt. Der Erstautor bleibt aber für immer und ewig. Ich nenne hier bewusst keine namen. Wiederum ist hier viel Platz für Interpretationen. Taxonomisch gesehen, sind also alle Unterarten von Salamandra salamandra nichts anderes als ein Ausdruck für relativ konstante Populationsunterschiede. Und entsprechend wurde und wird mit diesen Unterarten Verfahren. In zeiten, als es weder Kladistik (die lehre von den abgeleiteten merkmalen) noch Genetik gab, wurde noch sehr viel stärker rein morphologisch gearbeitet. Mit den heutigen Methoden werden dann andere Erkenntnisse gewonnen. Es gab viele Unterarten von S.s., die wieder eingezogen wurden bzw. noch zweifelhaft sind. Ich lebe in einer Region (zwischen Heidelberg und Stuttgart), aus der eine Unterart beschrieben wurde (forma "maculosa" wenn ich es richtig erinnere), die heute nicht mehr anerkannt wird. Rein genetisch, wohlgemerkt. Dabei ist diese Methode auch nicht allein seligmachend, aber darum geht es hier nicht. Hier hat nämlich quasi jede Population auch orange/rote Tiere und ist sehr intensiv gezeichnet. In anderen Regionen sind alle Tiere ausschließlich gelb, im Solling wieder nicht.

Letztendlich bleibt es jedem selber überlassen, welche Bezeichnung er akzeptiert. Der am meisten anerkannte Autor wird sich durchsetzen. Und morgen kann alles schon wieder ganz anders sein. Ich persönlich akzeptiere die Systematik nach Steinfartz et. alt., das ist das System, das auch hier auf feuersalamander.com als zutreffend benutzt wird.

2. Erstbeschreibungen. Ja, diese Toilettenhäuschenparolen kenne ich zur Genüge! Vor grauer Zeit noch konnte jeder Dödel in irgendeinem Käseblatt einen Namen loslassen, dazu schreiben, das es sich um einen Fisch mit Flossen und gelben Punkten handelt und die Beschreibung war gültig. Aus, vorbei, Gott sei Dank!!! Die Internationale Nomenklaturkommission hat vor Jahren entschieden, die Kriterien für "verfügbare" Arbeiten drastisch zu verschärfen. Es könne zwar auch weiterhin Laien neue Arten beschreiben, aber alle Arbeiten müssen einem modernen Standard entsprechen. Beschreibungen wie z.B. von Leptolebias sandrii (Fariah & Müller, 1934) (ein kleiner Eierlegender Zahnkarpfen aus Rio de Janeiro) in einem Vereinsblatt der brasilianischen Marine (ja, man glaubt es kaum!) werden heute per se nicht mehr anerkannt, solche Arbeiten gelten als "nicht verfügbar", will heißen als nicht publiziert.

Es ist nicht verwunderlich, dass immer noch die alte Mähr der Erstbeschreibung im Comicformat rumgeistert, aber die Realität ist eine andere. Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass es heutzutage für eine treffende Diagnose sehr viel Fachkenntnis (Artenkenntnis der zu bearbeitenden Gruppe plus zoologisches Handwerkszeug) bedarf, um eine saubere Diagnose durchzuführen. Darum habe ich selber auf die autonome Beschreibung von Arten verzichtet und diese entweder als Co-Autor beschrieben (Simpsonichthys similis COSTA & HELLNER, 1999) oder Profis zur Verfügung gestellt, die auf dem jeweiligen Gebiet Expertise haben. Zugegeben, es ist auch heute für einen kundigen Amateur kein Problem, die formellen Anforderungen zu erfüllen und eine Art zu beschreiben, das muss jeder fŸr sich selber entscheiden. Meist wird dies der Fall sein bei eindeutig neuen Arten. Aufgrund der meist fehlenden Kommunikation zwischen Amateuren und Zoologen (aber auch zwischen Zoologen, wie unlŠngst wieder) werden leider immer wieder auch Arten doppelt beschrieben und so neue Synonyme produziert.

Ich rate jederman dringend davon ab, durch irgendeine Publikation einer Unterart oder Art sich selber zum Gespött zu machen und auch nicht die zoologische Welt durcheinander zu bringen, weil bei mangelhafter Ausführung diese Taxa sofort wieder eingezogen würden. Es gibt ja einige, die über salamandra arbeiten, auch wenn man nicht allem folgen muss, was der eine oder andere publiziert, aber man kann mit diesen hauptberuflichen Wissenschaftlern in Dialog treten oder sogar zusammenarbeiten. Das bringt alle weiter als das Herumwurschteln wie Anno Tobak.

3. Meine persšnliche Ansicht, obwohl die taxonomisch nicht relevant ist, weil nicht formell begründet, ist die, dass die Salamandra-Arten mit großen Verbreitungsgebieten noch bei weitem nicht abschließend in ihrer Taxonomie geklärt sind. Ich denke da insbesondere an S.s.s. und S.s.t. Zwischen Atlantikküste und Sibirien ist noch viel Platz für neue Erkenntnisse. Ich bezweifle aus meiner Erfahrung mit anderen Tiergruppen, dass ausgerechnet bei S.s.s und S.s.t. an ihren Übergangsgebieten die Gesetzmöglichkeiten der adaptiven Radiation und des Speziationsdruckes nicht zum Tragen kommen. Entsprechendes ist für S. infraimmaculata anzunehmen. S. algira wird ja gerade untersucht und die erste neue Unterart beschrieben (S. algira tingitana). Auch bei gallaica/morenica ist wohl noch nicht alles hearusgearbeitet. Und wie steht es um fastuosa und bernardezi? Der Vergleich einer Vielzahl von Populationen könnte mehr als überraschen.

Bis dahin bitte ich alle, die momentane Situation nach Steinfartz et. alt. (Artikel müsste hier im Archiv sein, Michael?) anzunehmen und corsica, algira, infraimmaculata als eigenständige Arten zu betrachten und Unterarten wie "hispanica", "maculosa" oder "quadri-virgata" nicht mehr zu verwenden bzw. wenn dann nur als Hinweis auf eine bestimmte Population, die einmal als Unterart beschrieben worden war, heute aber nicht mehr als solche angesehen wird.

Viele Grüße

Steffen

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Michael Schantz« (5. Oktober 2004, 10:47)


Inshi

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3

Montag, 4. Oktober 2004, 17:22

RE: Taxonomie

Hallo Steffen,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort! Jetzt sehe ich deutlich klarer :)
Eine Frage bleibt aber noch: Wurde S.s.quadri-virgata erst nach S.s.terrestris beschrieben und später wieder eingezogen? Oder gab es verschiedene Beschreibungen und man hat sich dann auf eine geeinigt (S.s.t)?

Viele Grüße,

Ingo
Halte verschiedene Tiere der Gattung Salamandra und einige andere Urodelen

Steffen Hellner

unregistriert

4

Montag, 4. Oktober 2004, 18:59

Taxonomie

Hallo Ingo,

es gilt in der taxonomie das PrioritŠtsprinzip, d.h. der gute Lacepede hat terrestris vor quadri-virgata beschrieben. Es gilt grundsŠtzlich das Šltere Taxon, mit gewissen Ausnahmen, die aber hier zu weit fŸhrten.

Viele Gr٤e

Steffen

Inshi

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5

Montag, 4. Oktober 2004, 19:57

RE: Taxonomie

Danke, Steffen, jetzt hab´ ichs kapiert ;)

Viele Grüße,

Ingo
Halte verschiedene Tiere der Gattung Salamandra und einige andere Urodelen

Michael Schantz

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6

Dienstag, 5. Oktober 2004, 10:31

Taxonomie

Hallo Steffen & Ingo,

eigentlich ist ja schon alles gesagt ;) eine Sache noch zu denUnterarten

Zitat

Es würde mich interessieren, ob das tatsächlich so einfach möglich ist?! Bisher hatte ich geglaubt, dass dies heutzutage nur noch bei Nachweis bestimmter genetischer Unterschiede möglich ist...
ich zitiere hier mal aus dem Buch "Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas Schwanzlurche II B" von Thiesmeier & Grossenbacher:

Zitat

: Mit Bezug auf die diversen Unterarten, die mit wenigen Ausnahmen vor allem aufgrund morphologischer Eigenheiten (dorsales Färbungsmuster und Körperproportionen) beschrieben worden sind, bleibt festzuhalten, daß diese auch genetisch differenziert sind und somit ihren Unterartenstatus berechtigt tragen.

Zitat

Ich persönlich akzeptiere die Systematik nach Steinfartz et. alt., das ist das System, das auch hier auf feuersalamander.com als zutreffend benutzt wird.
... ja das ist richtig.

Zitat

Bis dahin bitte ich alle, die momentane Situation nach Steinfartz et. alt. (Artikel müsste hier im Archiv sein, Michael?)
... ist im Archiv aber leider muss erst noch abgeklärt werden, ob dieser veröffentlicht werden darf :KA: .... ich kümmere mich darum.
Noch was ganz anderes Steffen .... wir sehen hier auf dem Forum viele Hieroglyphen bei Deinen Postings :( Ich habe Dein Posting abgeändert - deshalb probiere bitte mal folgendes aus, wenn Du wieder hier auf dem Forum bist ... irgendwo im Feld rechte Maustaste drücken -> Codierung im Menü suchen ->dort sollte dann "Westeuropäisch (Windows) markiert sein - DANKE :idee: :bussi: :D :D :D

Gruß Michael ...

.:::: <<------ in diesem Sinne ------>> ::::.

Steffen Hellner

unregistriert

7

Dienstag, 5. Oktober 2004, 10:59

Taxonomie

Hallo Michael,

danke für Deine Ergänzungen. Mit einem stimme ich nicht voll überein, das ist die Sache mit den genetischen Unterschieden. Eine genetische Differenzierung kann durch "natürliche Inzucht" (Separation) gebünstigt werden oder durch genetischen "Druck" durch andere Arten (vor allem am Rand von Verbreitungsgebieten). Räumlich voneinander getrennte Arten können morphologisch unterschiedlich sein, genetisch jedoch nicht differenzierbar (je nach Methode). Auf der anderen seite gibt es Beispiele genug für morphologisch übereinstimmende Formen, die genetisch eindeutig getrennt und nicht kreuzbar sind. Die Biologie ist eben nicht Mathematik und entzieht sich immer noch ein Stück weit unserem mechanistischen Weltbild.

Genetische Differenzen sind für eine Artdiagnose nicht zwingend erforderlich, aber hilfreich.

Und was die Hieroglyphen betrifft, Du weißt doch, dass ich einen Mac habe. Jetzt sogar mit System 10.3.5, da ist wieder alles anders, dafür mit UNIX-Kernel. Habe meine Tastatur auf ISO Latin eingestellt, das müsste doch auch mit dem System Deiner Website harmonieren. Ansonsten müssen wir weiter raten. ;-)

Heute sind meine Arten/Unterarten/Populationen Nr. 19 und 20 eingetroffen, terrestris aus dem Harz und fastuosa von Bilbao.

Aber es fehlen immer noch ein paar.

Viele grüße

Steffen

Michael Schantz

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8

Mittwoch, 6. Oktober 2004, 13:06

Taxonomie

Hallo Steffen,

Zitat

Die Biologie ist eben nicht Mathematik und entzieht sich immer noch ein Stück weit unserem mechanistischen Weltbild.
... so ist es Steffen - denke das ist auch gut so ;)

Zitat

Und was die Hieroglyphen betrifft, Du weißt doch, dass ich einen Mac habe.
... ach soooo stimmt ja .. daran habe ich leider nicht mehr gedacht :KA:

Zitat

Habe meine Tastatur auf ISO Latin eingestellt, das müsste doch auch mit dem System Deiner Website harmonieren.
... alles im grünen Bereich - keine Hieroglyphen mehr !!! :VD:

Gruß Michael ...

.:::: <<------ in diesem Sinne ------>> ::::.

Steffen Hellner

unregistriert

9

Mittwoch, 6. Oktober 2004, 17:37

Hallo Michael,

keine Hieroglyphen mehr, na geht doch.

Übrigens, ich bin am 14. August zum zweiten Mal Vater geworden. Wieder ein Sohn, genannt Bruno. Hatte also in der letzten zeit anderes zu tun, als durchs Forum zu streifen, sollte jetzt aber wieder etwas mehr Zeit haben. Wobei, mit mittlerweile 20 Formen Salamandra und einigen Triturus sowie 55 Aquarien bin ich eigentlich gut beschäftigt. Und ich bereite mich auf Gersfeld vor. Habe dieses Jahr leider nicht alles geschafft, was ich mir vorgeneommen hatte, aber so geht es manchmal. Die Sache mit den meldepapieren und dem Monitoring habe ich aber nicht vergessen.

Viele Grüße

Steffen

Inshi

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10

Mittwoch, 6. Oktober 2004, 18:31

Hallo Steffen,

herzlichen Glückwunsch zum Nachwuchs! :baby: :))

Ich hoffe, wir haben in Gersfeld auch mal Zeit zum Plaudern - letztes Mal hatten wir ja nicht so viel Zeit wie Gesprächsstoff :D

Bis dann und viele Grüße,
Ingo
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Steffen Hellner

unregistriert

11

Mittwoch, 6. Oktober 2004, 18:59

Hallo Ingo,

die Zeit sollten wir finden, wobei, ich spüre, dass es wieder zu kurz wird, um mit allen so ausführlich zu sprechen, wie man es möchte. Aber ein, zwei Bierchen schaffen wir.

Bis dahin,

viele Grüße

Steffen

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